Die Massnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen sind breitgefächert. Die Verwendung alternativer Treibstoffe ist eine davon und führt zu neuen Erkenntnissen. Gepaart mit vielversprechenden Technologien verleihen diese Innovationen Flügel. Dr. Markus Kurzwart, Leiter F&E bei MOTOREX, erklärt wieso.

 

Die Herstellung von grünem Wasserstoff aus Sonnenenergie und CO2 wurde vor 20 Jahren noch als Utopie abgetan. Heute ist sie die Grundlage für 100 % erneuerbare und CO2-neutrale Kraftstoffe. Wenn auch vorerst in kleinen Mengen. Mengenmässig beachtlich sind jedoch die Anteile aus erneuerbaren Quellen in handelsüblichen Treibstoffen. Im Jahr 2021 betrugen diese in ganz Europa 9,1 % und in Schweden bereits 30 %! Doch welche Einflüsse haben diese komplexen Kraftstoff-Cocktails auf das Motorenöl und das Innenleben von Verbrennungsmotoren?

Ist die Beimischung aus erneuerbaren Quellen in Kraftstoffen sinnvoll?

Ja, vor allem, wenn die ökologische und ökonomische Gesamtbilanz stimmt. Die CO2-Reduktion dadurch ist beträchtlich. Gleichzeitig werden die fossilen Ressourcen geschont. Diese braucht es auch in Zukunft noch für Produkte, die sich nur schwierig ersetzen lassen.

 

Welche erneuerbaren Energien werden heute genutzt?

Man unterscheidet bei Biofuels zwischen drei Generationen: Die 1. Generation sind die Pflanzenöl-Kraftstoffe wie Bioethanol und Biodiesel. Diese verwenden nachwachsende Rohstoffe wie Ölsaaten (Raps) oder Zuckerrohr. Sie verlieren an Bedeutung, da aus ethischen Gründen Ackerflächen vorrangig für den Anbau von Lebens- und Futtermitteln genutzt werden sollen. Die 2. Generation nutzt Abfälle und Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft wie Ernterückstände aus Energiepflanzen sowie tierische Fette. Die Biotreibstoffe der 3. Generation werden z. B. aus organischem Material wie Algen und Reststoffen (Stroh/Sägespäne) hergestellt. Sogenannte E-Fuels (synthetische Kraftstoffe) sind eine weitere interessante Alternative. In Zukunft werden Wasserstoff und CO2 eine immer grössere Rolle spielen.

 

Haben Sie einen Kraftstoff-Favoriten?

Wie bei dem aus Erdöl stammenden Benzin und Diesel handelt es sich bei vielen erneuerbaren Kraftstoffen um Kohlenwasserstoff-Verbindungen mit zusätzlichen Sauerstoffanteilen. Zudem werden aber auch neue Moleküle konstruiert, die bisher noch nicht im grossflächigen Massstab Anwendung fanden. Die Reinheit dieser Treibstoffe, die Zersetzungsprodukte während der Verbrennung und die Auswirkungen auf das Motorenöl bergen Chancen und Gefahren. Unser Fokus liegt aktuell auf den Beimischungen zu vorhandenen fossilen Treibstoffen wie Ethanol, B7, B20, aber auch MTBE (Methyl-Tertiär-Butylether) und HVO. HVO-Kraftstoff (Hydrogenated Vegetable Oil /Hydrierte Pflanzenöle) gehört zu den zukunftsträchtigen Alternativen für Dieselmotoren.

 

Welche Vorteile haben HVO-Kraftstoffe?

HVO-Moleküle haben gegenüber bisherigen alternativen Treibstoffen einige prägnante Vorteile wie z. B. die Beständigkeit gegenüber Feuchtigkeit, Alterungsstabilität und Reinheit. Ausserdem lässt sich damit die Basis der Rohstoffe für die Gewinnung von HVO deutlich ausweiten. Grundsätzlich ist HVO chemisch recht nah am Diesel.

Haben alternative Kraftstoffe Auswirkungen auf das Motorenöl, den Motor?

Bisher galt oft, je höher der Anteil aus erneuerbaren Quellen im Kraftstoff ist, desto naheliegender sind die innermotorischen Einflüsse. Verbrennungsrückstände, Ölverdünnung durch Kraftstoff u. v. m. können zu einer verstärkten Versäuerung des Motorenöls führen. Reaktionen wie Oxidation und Korrosion können über die immer höheren Laufleistungen der Aggregate zu Problemen führen. Diesen Einflüssen gehen wir durch intensive inhouse F&E-Aktivitäten und in Kundenprojekten auf den Grund. Mit innovativen Schmierstoffzusammensetzungen federn wir so mögliche Risiken ab.

 

Arbeitet MOTOREX auch im Auftrag von Erstausrüstern (OEMs)?

Ja, unser Know-how ist immer häufiger gefragt. Die Bewertung der Auswirkungen von alternativen Treibstoffen auf das Motorenöl, die Bauteile im Motor und das Alterungsverhalten sind ein Dauerthema. So entwickeln wir Testverfahren, die auf die Anforderungen der OEMs abgestimmt sind. Bei diesen wird z. B. ein spezifischer Werkstoff auf die B7-/B20-/HVO-Tauglichkeit hin überprüft. Das kann ein Axiallager aus Messing eines Turboladers sein oder auch ein Dichtring aus Kunststoff.

 

Wie werden die Erkenntnisse genutzt?

Die Ergebnisse fliessen bei namhaften Endkunden und internationalen OEMs ein und werden u. a. für die Freigabe der genannten Treibstoffe verwendet. MOTOREX arbeitet dabei mit interdisziplinären hochkarätigen Forscherteams verschiedener Erstausrüster zusammen und fungiert als Berater. Know-how entsteht und kann sowohl in der Motorentechnik als auch in MOTOREX Produkten integriert werden. In Bezug auf unsere neuesten Motorenöle sind das z. B. die vorteilhaften Eigenschaften, Einflüsse durch alternative Kraftstoffe zu kompensieren und gleichzeitig höchste Schmier- und Verschleiss-Sicherheit über eine lange Zeit zu garantieren.