Das Ziel ist der neue Höhenweltrekord mit dem Motorrad. Im Sattel: drei der besten Schweizer Enduro-Spezialisten. Darunter auch der Höhen-Weltrekordhalter Jiri Zak. Wem gelingt die Herkulesaufgabe? Eine gnadenlose Challenge für Mensch und Maschine am höchsten Vulkan der Welt, dem Ojos del Salado (6893 m ü. M.) in Chile.

Endlich! Im November 2021 öffnete Chile wieder seine Grenzen. Die Gelegenheit für Jiri Zak, den amtierenden Höhenweltmeister auf dem Motorrad, seinen eigenen Weltrekord von 6546 m ü. M. am Ojos zu überbieten. Denn wer einmal in der Atacamawüste Enduro gefahren ist, kommt zurück. Nicht umsonst ist der Vulkan in den Anden der beliebte Austragungsort für Höhenweltrekorde verschiedenster Fahrzeugkategorien und renommierter Hersteller. Doch die grossen Schneemengen, messerscharfes Büssereis und Temperaturen bis –36 °C auf dem ruhenden Schichtvulkan machten Jiri einen Strich durch die Rechnung. Er steigerte seinen Höhenweltrekord um lediglich 10 Meter auf 6556 m ü. M. Er ist nicht zufrieden.

Neues Team, neue Chance

«Die Niederschlagsmengen und meteorologischen Verhältnisse spielen für die Rekordfahrt am Ojos eine zentrale Rolle», erklärt Raffael Panzeri, Leiter und Pilot im MCS-Team. MCS steht für Moto Center Schwyz AG, das den Weltrekordversuch 2022 organisierte. Im Team sind die drei Schweizer Enduro-Spezialisten Jiri Zak (42), Thomas Schranz (42) und Raffael Panzeri (53). Unterstützt wurden sie von Patrick Voser (Technik & Logistik) und der Expeditionsfirma High Mountain Experience (Infrastruktur & Camp) in Chile.

 

Akklimatisation im Höhenzelt

Bereits auf 2500 m ü. M. können Schwindel, Kopfschmerzen oder Übelkeit auftreten. Denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Weltrekordversuch ohne Sauerstoff auf weit über 6000 m ü. M. Deshalb haben sich alle Teammitglieder bereits drei Wochen vor der Abreise jeweils nachts in einem sauerstoffreduzierten Höhenzelt akklimatisiert. Die schrittweise Höhenanpassung ist eine der wichtigsten Vorbereitungen. Dazu gehörte auch ein aufbauendes Fitnessprogramm. Auf möglichst direktem Weg reiste das Team Ende November 2022 von Zürich über Paris und Santiago de Chile nach dem abgelegenen Copiapó. Von dort aus ging es mit dem Geländewagen in Richtung Basislager an der Laguna Verde (4239 m ü. M.), einem stark mineralhaltigen, türkisfarbenen Salzsee.

 

Bikes ziehen Blicke an

In der Zwischenzeit fanden auch die verschifften vier fabrikneuen KTM 500 EXC-F und das Material wie Ersatzräder, Reifen und Schmierstoffe ihren Weg ins Lager. Nicht ohne dabei auf dem Trailer das Interesse undurchsichtiger Typen in einem schwarzen Pick-up auf sich zu ziehen, versuchten sie doch durch Abdrängen das Halten des Gespanns zu erzwingen. Vergebens – eine Polizeistreife bemerkte die Absicht und leistete Geleitschutz. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte das Team nach fünf Stunden Fahrt das Camp und widmete sich den Bikes. Die drehmomentstarke 1-Zylinder-4-Takt-KTM war die perfekte Wahl für das Abenteuer. Ohne grosse Modifikationen überzeugten die Power-Enduros durch absolute Zuverlässigkeit. Für bessere Offroad-Eigenschaften wurden die Reifen anstelle von Schläuchen mit Schaumgummiringen, sogenannten «Mousses», versehen. Die Mousses entsprechen einem Reifendruck von nur ca. 0,7 bar, ermöglichen maximalen Grip und selbst nach einer Perforation das Weiterfahren.

Trial and Error – die optimale Route

Morgens um sechs Uhr war Tagwache – trotz oder gerade wegen der gut isolierenden Kleidung brauchte das Aufstehen bei –4 °C jedes Mal eine grosse Portion Überwindung. Der peruanische Koch Silvio beglückte die Gruppe dafür mit einer ebenso grossen, jedoch immer leicht bekömmlichen Portion Frühstück. Denn die bevorstehenden sieben Stunden Geländefahrt sollten sich als energiefressend herausstellen.

 

Raffael Panzeri über den ersten Rekordversuch

«Bewusst achteten wir darauf, nicht allzu schnell aufzusteigen. Durch die Mousses war die Stabilität beim schnellen Fahren so oder so stark reduziert. In der Zwischenzeit war es mit beinahe über 25 °C heiss geworden. Die Zunge und die Augen trocken, die Lippen durch die Witterungsbedingungen aufgerissen. Mit dabei: Benzinkanister und Wasser. Das Team bewegte sich in einer menschenleeren, unwirtlichen Gegend. Kein Baum, kein Strauch, kein Weg. Dann wechselte plötzlich das Terrain vom feinen gelben Sand auf felsigen Schotter. Das Ziel war es, den idealen Einstieg in Richtung Ostgipfel zu finden. Nach der Passage des Gletscherabflusses ging es immer steiler nach oben. Kleine Schluchten, schmutziger Schnee und Eis wechselten sich ab. Nach weiteren zwei Stunden Balanceakten gab es kein Vorwärtskommen mehr: zu wenig Grip und zu grosse, gefährliche Spalten im Gletscher! Gegen 14.30 Uhr war das Team erschöpft wieder im Camp zurück. Nach dem Essen war Ausruhen oder Lockern der Muskeln in der Blechsauna an einer 40 °C heissen Quelle unweit des Camps angesagt.» Doch das sollte nicht der letzte Versuch gewesen sein, dem Ojos einen neuen Höhenweltrekord abzuringen.

Der Pilot setzt die Grenze

So hart es auch scheinen mag, beim Streben nach einem neuen Rekord setzt klar der Pilot die Grenze. Die physischen, mentalen und fahrerischen Fähigkeiten sind es, die unter guten Bedingungen die entscheidenden Höhenmeter bringen. Thomas Schranz darf ohne zu übertreiben als sehr erfolgreicher Schweizer Enduro-Pilot bezeichnet werden. Am 3. Dezember war der Moment gekommen, an dem Thomas innerlich bereit war, über sich hinauszuwachsen. Zusammen mit seinen Kameraden Jiri und Raffael startete er in Richtung Ostgipfel. Bis zum Einstieg auf ca. 6640 m ü. M. blieb die Gruppe zusammen. In dieser Höhe war nun jedes PS der KTM gefordert. Durch Einspritzung und der gut dosierbaren Mehrscheibenkupplung im Ölbad, MOTOREX CROSS POWER 4T SAE 10W/60 sei Dank, kein Problem. Nun versuchte jeder die optimale Spur zu fahren. Höhenmeter um Höhenmeter schraubten die Piloten sich hinauf. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Dann verloren sie den Sichtkontakt zueinander. Nicht ungefährlich, denn auf der Rückseite des Ojos gibt es tief abfallende Steilwände und die Grenze zu Argentinien.

 

Neuer Höhenweltrekord auf 6725 m ü. M.

Durch seine körperliche Konstitution, die gekonnte Routenwahl und eisernen Willen hat sich Thomas Meter für Meter von der Gruppe abgesetzt und raufgekämpft. Das Atmen fällt ihm schwer. Der Puls hämmert. Hinter ihm extremes Gelände, riesige zerklüftete Gletscher und kaum noch Vortrieb. Bei den nun herrschenden tiefen Temperaturen sind die Michelins steinhart. «Weiter, immer weiter!», sagt die innere Stimme. Wie fremdgesteuert kämpft er sich hinauf, bis auf sagenhafte 6725 m ü. M. – das war er, der neue Höhenweltrekord in der Kategorie Motorrad. Ohne Fremdhilfe und Sauerstoff. Geschafft, das Herz schlägt Thomas bis zum Hals und eine Art Höhenrausch von Glücksgefühlen setzt ein.

 

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